Zwei Luxuspferde-Wagen in Liblar (KED Cöln 1896/1902)

Dieser Luxuspferde-Wagen gehörte der in Lechenich ansässigen Pferdezucht von Georg von Bleichröder und wurde 1896 von der Aktiengesellschaft für Fabrikation von Eisenbahnmaterial zu Görlitz erbaut.
(Bildquelle: Eigentum/Sammlung der Verkehrsmuseums Dresden gGmbH / Verkehrsmuseum Dresden [CC BY-NC-SA]; [sachsen.museum-digital.de] )
Luxuspferde-Wagen waren Exoten im Güterverkehr. Sie dienten zum Transport hochwertiger Pferde, sei es um sie als Zucht- oder Rennpferde zum Zielort zu transportieren. Die Wagen befanden sich dabei in der Regel im Besitz der Züchter und wurden daher als Privatwagen in den Fuhrpark der Eisenbahndirektionen aufgenommen.

1896 begann Georg von Bleichröder auf dem bei Lechenich gelegenen Gutshof „Römerhof“ mit der Pferdezucht. Außerdem betrieb er einen Rennstall und ein Vollblutgestüt. [Wikipedia Bleichröder 2020]
Im Fotoarchiv der Aktiengesellschaft für Fabrikation von Eisenbahnmaterial zu Görlitz, das sich heute im Verkehrsmuseum Dresden befindet, haben sich Werkfotos von zwei Luxuspferde-Wagen erhalten, die „G.v.B.“ 1896 und 1902 beschafft hat. Wie bei Luxuspferde-Wagen üblich, wurden sie als Spezialwagen eingereiht und einem Standort zugewiesen – in diesem Fall der Station Liblar.

Der erste Wagen (KOELN 4155) war 2-achsig und wurde 1896 gebaut. Im Standardwerk „Die Eisenbahn-Technik der Gegenwart“ von 1898 findet sich eine kurze Beschreibung der Görlitzer Wagen [Barkhausen 1898, S. 483]:

Wagen für Luxuspferde
Das Untergestell gleicht dem von No. 40 [Anm.: Bedeckter Güterwagen der preußischen Staatsbahnen, Ladegewicht 15 t]. Die Decke des Wagenkastens ist überhöht und mit Aufsatz versehen. Die Pferde stehen in drei Längsreihen mit dem Kopfe nach der Mitte, so dass sie vom Wärter bequem gefüttert werden können. Seiten- und Stirnwände sind gepolstert, vor den Türen sind die Polster abnehmbar. Die Zwischenteilung erfolgt durch abnehmbare gepolsterte Tafeln. Zum Verladen der Pferde befinden sich an jeder Längsseite zwei geteilte Klapptüren, deren untere Klappe als Übergangsbrücke dient. Jede Längswand hat in der Mitte eine 510 mm breite Tür für den Wärter.

Edle Pferde sollen es „standesgemäß“ haben. Die Innenwände sind gepolstert und der Wärter fährt im Wagen mit, um sich während der Fahrt um seine Schützlinge kümmern zu können.
(Bildquelle: Eigentum/Sammlung der Verkehrsmuseums Dresden gGmbH / Verkehrsmuseum Dresden [CC BY-NC-SA]; [sachsen.museum-digital.de]
Im Amtsblatt der Eisenbahndirektion Elberfeld wird am 22. Juni 1896 ebenfalls auf den Wagen hingewiesen [Amtsbl. 1896 Nr. 584]:

Nr. 584 – Luxuspferdewagen Köln Nr. 4155
In den Wagenpark der KED in Köln ist mit Genehmigung des Herrn Ministers ein dem Dr. jur. G. Bleichröder in Berlin gehöriger Luxuspferdewagen (Privatgüterwagen) eingestellt. Derselbe trägt die Bezeichnung „Spezialwagen“ und darunter die Anschrift „Station Liblar“, sowie die nebenbezeichnete Eigenthumsbezeichnung und Nummer.
In Abweichung von der Bestimmung in §4 Ziffer 6 der Dienstanweisung für die Behandlung der Privatgüterwagen wird die Ausnutzung dieses Wagens bei etwaigen Leerläufen hiermit untersagt.

Die Anschrift am Wagen formuliert diese Nutzungseinschränkung etwas anders:

Dieser Wagen darf lediglich im Interesse des Eigenthümers genutzt werden.

Grundsätzlich überrascht die Anweisung nicht, waren doch Luxuspferde ein ganz besonderes Gut und die Wagen dementsprechend mit höchstwertiger Innenausstattung versehen – auf einem weiteren Bild sind die gepolsterten Zwischenwände der Pferdeboxen gut zu erkennen. Auch würden wir heute natürlich davon ausgehen, dass ein eigener Privatwagen auch nur von einem selber genutzt werden darf. Aber damals war das anders, da die Privatwagen bei der Rücksendung zur Heimatstation normalerweise von den Eisenbahnverwaltungen nach freier Entscheidung genutzt werden konnten. [Dia f. Prw §4,6 nach Cauer I, S. 339]

1902 beschaffte G.v.B. einen weiteren Pferdewagen in Görlitz. Mittlerweile waren die Wagen 3-achsig. Außerdem heißt es in dem Artikel im „Eisenbahnwesen der Gegenwart“, dass die Wagen über alle Einrichtungen verfügten, damit die Wagen in Schnellzüge mit mehr als 80 km/h eingestellt werden konnten. Ob das jemals geschah?
(Bildquelle: Eigentum/Sammlung der Verkehrsmuseums Dresden gGmbH / Verkehrsmuseum Dresden [CC BY-NC-SA]; [sachsen.museum-digital.de]
Die Görlitzer Fabrik scheint für den Bau von Luxuspferdewagen eine besondere Kompetenz gehabt zu haben. So haben sich Bildarchiv Waggonbau Görlitz, das sich heute im Verkehrsmuseum Dresden befindet, mehrere Fotografien von Luxuspferde-Wagen bzw. Spezialwagen für Pferdetransporte erhalten. Außerdem widmete man im Standardwerk „Das deutsche Eisenbahnwesen der Gegenwart“ bei der Präsentation der Waggonbau Görlitz einen ganzen Absatz diesen Spezialwagen:

Luxuspferdewagen
Für die Beförderung von edlen Pferden genügen auf langen Strecken die gewöhnlichen bedeckten Güter- und Großviehwagen nicht. Es sind deshalb besondere Wagen für Luxuspferde erbaut worden, die mit Einrichtungen ausgestattet sind, die ein bequemes und sicheres Verladen der Pferde ermöglichen, Verletzungen der Tiere verhüten und eine sorgfältige Pflege während des Transportes zulassen.

Der Görlitzer Luxuspferdewagen ist dreiachsig mit Lenkachsen und nach Art der bedeckten Güterwagen gebaut und ist zur möglichsten Abkürzung der Reisezeit mit allen Einrichtungen ausgerüstet, die zur Einstellung des Wagens in Schnellzüge von mehr als 80 km Fahrgeschwindigkeit in der Stunde, sowie zur Einstellung in den internationalen Verkehr von den Eisenbahnverwaltungen gefordert werden. Der Wagen besitzt hochgewölbtes Dach und Lüftungsbau. An den Stirnwänden sind zwei Pferderäume zur Aufnahme von 6 Pferden oder 4 Muttertieren mit Fohlen angeordnet. In der Mitte des Wagens befindet sich ein Raum für die Wärter, für Futtervorräte und Gerätschaften.

Die Pferderäume sind so angeordnet, dass die Tiere in der Längsrichtung des Wagens und mit den Köpfen nach dem Wärterraum stehen. Jeder Pferderaum wird gewöhnlich durch zwei drehbare und feststellbare Flankierwände in drei Stände geteilt. Ist für den Transport von Pferden mit Fohlen die Teilung eines Raumes in nur zwei Stände erforderlich, so kann eine Flankierwand in der Mitte des Raumes angebracht werden. Jeder Pferderaum besitzt an den Zwischenwänden drei aus verzinntem Eisenblech hergestellte, herausnehmbare Krippen, die in mit Zinkblech beschlagenen Tischen angebracht sind. Über den Krippen sind in den Zwischenwänden vom Wärterraum aus zu öffnende Klappen vorgesehen, durch welche die Überwachung, Fütterung und Tränkung der Pferde erfolgen kann. Zum Ein- und Ausladen der Pferde sind in den Seitenwänden der Pferderäume große Ladeöffnungen vorhanden, welche im oberen Teil durch zweiflügelige Drehtüren und im unteren Teil durch wagerechte aufschlagende Klappen verschlossen werden, die gleichzeitig als bequeme Ladebrücken dienen. Gegen selbsttätiges Öffnen sind Türen und Klappen durch Riegelverschluss gesichert.

Zur Vermeidung von Verletzungen der Pferde bei heftigen Stößen sind an den Stirnwänden, den Seitenwänden, den Flankierwänden und den Zwischenwänden über den Krippen abnehmbare Polster befestigt.

Der Wärterraum ist von außen durch verschließbare Drehtüren zugänglich und steht mit jedem Pferderaum durch eine Drehtür in Verbindung. Im Wärterraum ist ein bequemer Schlafstuhl untergebracht.
Ferner befinden sich in demselben ein zusammenlegbarer Tisch und hochklappbare Sitzbänke. Die Räume unter den Futterkrippen sind zur Aufnahme von Geräten und Futter ausgebildet. Die Beleuchtung geschieht durch Öllampen. Bei den Lampen für die Pferderäume sind Lichtblenden vorgesehen.

Glossar

Spezialwagen

Wagen, die zur Verladung ganz bestimmter Güter eingerichtet waren, wurden als Spezialwagen bezeichnet. Hierzu gehörten neben Wagen mit besonders großer Länge oder Ladefähigkeit unter anderem auch Arbeitswagen und „Viehwagen mit Ständen für Luxuspferde“ (Gattung Vf). [Cauer I 1897, S. 289]

Stallungswagen, Stallwagen
In der Enzyklopädie des Eisenbahnwesens [Röll 1917] finden sich diese beiden Begriffe als Synonyme für Luxuspferdewagen. Hier finden sich auch einige Informationen zur tariflichen Behandlung.

Stationswagen
Wagen, welche zum Zeichen, dass sie auf einer bestimmten Station zu Hause sind, den Namen dieser Station tragen, sind nach gemachter Benutzung stets an die Heimatstation zurückzusenden. Als Stationswagen konnten unter anderem alle Privatwagen bezeichnet werden. [Cauer I 1897, S. 289f]

Weitergehende Fragen

Und wie das dann so ist… Man beschäftigt sich zwar intensiv mit dem Thema und man findet ja auch so einiges. Trotzdem bleiben Fragen offen, zu denen man auf die Schnelle keine Antworten findet. Ich finde, diese Fragen sollte man durchaus mal stellen…

  • Wie viele Luxus-Pferdewagen gab es insgesamt?
  • Wurden die Wagen tatsächlich in Schnellzügen eingestellt? Gibt es dafür Belege?
  • Wo wurden die Wagen in Liblar vorgehalten?

Weitergehende Quellen

Dieser Artikel widmet sich den in Görlitz gebauten Luxuspferdewagen der Pferdezucht von Georg von Bleichröder, die in den Wagenpark der KED Köln aufgenommen worden waren. Darüber hinaus sind mir aber noch weitere Informationen begegnet, auf die hier nicht näher eingegangen wird. Auf die möchte ich aber kurz hinweisen.

Bildquellen

  • Verkehrsmuseum Dresden. „Fotografie: zweiachsiger Spezial-Pferdetransportwagen mit Bremshäuschen, 1896“ zuletzt bearbeitet 2020-02-16. [sachsen.museum-digital.de]
  • Verkehrsmuseum Dresden. „Fotografie: zweiachsiger Spezial-Pferdetransportwagen mit Bremshäuschen, 1896“ zuletzt bearbeitet 2020-02-16. [sachsen.museum-digital.de]
  • Verkehrsmuseum Dresden. „Fotografie: dreiachsiger Luxus-Pferdetransportwagen (geschlossen, entsprechend preußischem Musterblatt U1), 1902“ zuletzt bearbeitet 2020-02-16. [sachsen.museum-digital.de]

Literatur

Herzlichen Dank an den User „Gt 2×4/4“ für den Hinweis auf das Digitalisierungsprojekt des Verkehrsmuseums Dresden.

Amtsbl. 1896 Nr. 584
Luxuspferdewagen Köln Nr. 4155, vom 22. Juni 1896. In: Amtsblatt der Königlichen Eisenbahndirektion in Elberfeld 1896. Stück Nr. 31 vom 26. Juni 1896

Barkhausen 1898
Barkhausen, Blum, von Borries (Hrsg.): Die Eisenbahn-Technik der Gegenwart : 1. Band „Das Eisenbahn-Maschinenwesen“; 1. Abschnitt: Die Eisenbahn-Betriebsmittel; 2. Teil: Die Wagen, Bremsen und sonstige Betriebsmittel. Wiesbaden : C.W. Kreidel’s Verlag, 1898. – 744 S.

Cauer I 1897
Cauer, Wilhelm: Betrieb und Verkehr der Preußischen Staatsbahnen : Ein Handbuch für Behörden und Beamte. 1. Band. Berlin : Springer, 1897. – 471 S. (1. Band)

Dia f. Prw 1893
Dienstanweisung für die Behandlung von Privatgüterwagen, gültig vom 1.10.1893. Magdeburg 1893. – auszugsweise zitiert nach Cauer I 1897, S. 339

Görlitz 1911
Das deutsche Eisenbahnwesen der Gegenwart. – Band 2. Anhang „Die deutsche Industrie und das Eisenbahnwesen“, Artikel „Aktien-Gesellschaft für Fabrikation von Eisenbahn-Material zu Görlitz“. Berlin, 1911

Röll 1917
Röll, Victor von [Hrsg.]: Enzyklopädie des Eisenbahnwesens: herausgegeben von Dr. Freiherr v. Röll. Berlin, Wien, 1912-1923

Wikipedia Bleichröder 2020
Seite „Georg von Bleichröder“. In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 24. März 2019, 09:58 UTC. URL: [de.wikipedia.org] (Abgerufen: 29. Februar 2020, 18:07 UTC)